2007-08-28

alice IV (schwarze schwingen)

eine seltene ruhe kehrt ein
und tränkt die flügel pechschwarztropfend
von meinem gesicht herab
sehe ich den abgrund


der silberne schlüssel, er passte ins schloss
ich setzte den fuß durch die tür in die tiefe
doch sie stand, noch immer ganz leise klopfend
da draußen, wo ich meine kräfte vergoss

der eine schritt ist getan
der zweite landet in endloser leere
und riechen die hände noch immer verbrannt
von des silberschlüssels glühender macht
starrt alice dort draußen gebannt
auf das türchen, hinein in die nacht
während brennend wie droben im nichts zwischen sternen
das blut in mir schwelt und mich tötet


eine seltene ruhe kehrt ein
und tränkt die flügel pechschwarztropfend
von meinem gesicht herab
sehe ich den abgrund

in der tür:
es ist still
zu still
um zu schweigen


mit den flügeln bedeck' ich die augen
mit dem mund spreche ich schon den zauber
mit den händen halt' ich sie noch einmal
mit den ohren erhöre ich leise
das echo von stein wiederhallend
und beginne, die nacht aufzusaugen

sie durchfließt mich, umhüllt mich
erfüllt mich, entblößt mich
dann streckt sie mich nieder
und so dröhnt wie lachen laut schallend
im fackelschein an alten mauern
ein leises flüstern berauschend im wind
meine hauchende stimme im nebel zerrinnt
und wühlt sich wie durch weiche federn


eine seltene ruhe kehrt ein
und tränkt die flügel pechschwarztropfend
von meinem gesicht herab
sehe ich den abgrund

durch die tür:
ich springe
ich falle
ich fliege


schon gleite ich lautlos hinein
die tür hinter mir steht noch offen
doch kann ich nicht harren
noch werde ich hoffen
um ein engel zu sein
muss man erst einmal sterben


eine seltene ruhe kehrt ein
und tränkt die flügel pechschwarztropfend
von meinem gesicht herab
sehe ich den abgrund

die tür ward geöffnet
ich schritt hindurch
alice blieb draußen

(2007)

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