2010-01-27

waffenlos

wieder brechen die alten kriegswunden auf,
die gleichen narben wie damals,
als auch ich ein soldat war.
und ich erinnere mich erneut, was es heißt
zu kämpfen, zu morden, verwundet zu werden,
zu schreien, zu rennen, zu schießen, zu sterben.

heute noch bist du freund,
morgen vielleicht feind,
denk immer daran,
denk immer daran,
dieser krieg kennt keine sieger,
wer kämpft, hat schon verloren.

es gibt nur noch den sieg oder den tod,
und jeder wähnt sich schon als sieger,
denn nur der sieger ist gerecht,
selbst schuld, wer letztlich untergeht,
und niemals wird es anders sein,
der krieg ist gut, der krieg ist gut -
so lehren uns wieder die propheten.

der zorn ist der speer,
er sticht tief und fest.
der hass ist das schwert,
es schneidet und trennt.
die wut ist der schild,
hinter dem ihr euch versteckt.

manche fronten verschwimmen, andere verhärten.
geteilt und beherrscht, jubelnd und geifernd
marschiert ihr ohne unterlass weiter.
und schaut die generäle,
ihre messerscharfen fingerspitzen
sind stets auf die feinde gerichtet:
bist du es? ist er es? bin ich es?

heute noch bist du freund,
morgen vielleicht feind,
denk immer daran,
denk immer daran,
dieser krieg kennt keine sieger,
wer kämpft, hat schon verloren.

ich habe die kasernen von innen gesehen,
in denen sogar die kinder exerzieren;
ich sah brave männer und frauen vorwärts stürmen,
und dann ihre nachbarn erschlagen;
ich sah das chaos auf dem schlachtfeld,
ward vielfach verwundet, beinahe erschlagen.
wie oft wünschte ich mir ein ende herbei,
bis ich eines tages die wahrheit erkannte:
der kampf wird genau an jenem tage enden,
da wir die waffen fallen lassen
und einfach innehalten.

der zorn ist der speer,
er sticht tief und fest.
der hass ist das schwert,
es schneidet und trennt.
die wut ist der schild,
hinter dem ihr euch versteckt.

und so entschied ich eines tages,
dass ich nicht mehr kämpfen will.
ich legte die waffen nacheinander ab,
zuerst den zorn, dann auch den hass,
zuletzt die wut, den einzigen schutz.

jetzt, da ich waffenlos stehe,
erkenne ich einmal mehr,
dass dieser krieg nur soldaten kennt.
unbewaffnet, ungeschützt,
drischt nun alles auf mich ein.
und ich spüre jetzt viel klarer
wie die stiche, all die schnitte,
ohne schild noch tiefer brennen.

heute noch bist du freund,
morgen vielleicht feind,
denk immer daran,
denk immer daran,
dieser krieg kennt keine sieger,
wer kämpft, hat schon verloren.

doch bereue ich nichts;
die klarheit ist der höchste lohn,
der feigling mordet weiter.
indem ich das kämpfen aufgab,
konnte ich die wahrheit sehen:
dieser krieg kennt keine sieger,
wer kämpft, hat schon verloren.

(2010)