2008-08-14

déjà vu

Eines Tages erwachte klein Michel
Recht gewaltsam aus kindlichen Schlaf.
Nein, es waren nie Hammer und Sichel,
Doch der Adler, der ihn schmerzhaft traf.

Mit Papier und gehärteten Stangen
Bricht man Haustür und Willen vorab,
In den Lagern und Köpfen gefangen
Hält man Denker vom Müßiggang ab.

In den Kaufhäusern herrscht ein Gedränge,
Kurze Gürtel verkaufen sich gut;
Damit niemand den Träumen nachhänge,
Gibt es Pillen zum Lindern der Wut.

Wohlgenährt sagt der Nachrichtensprecher,
Dass zu hungern und frieren sich ziemt,
Und der Faule, ein schlimmer Verbrecher,
Wie ein Dieb sich sein Lebensrecht nimmt.

Und die Öfen für Kranke und Schwache
Werden schon mit Parolen beheizt,
Und da tut es auch gar nichts zur Sache,
Dass man sonst mit Empörung nie geizt.

Man bejubelt den neuen Verführer,
Wie er grinst und befiehlt und marschiert;
Nebenan erschießt man die Aufrührer,
Denn wer aufsteht wird gleich deportiert.

Denn das Unglück sind die Terroristen,
Außerdem wer sich nicht beugen kann;
Wieder jagen sie die Kommunisten,
Nur statt Juden sind Muslime dran.

Und am Ende steht wieder die Freiheit
Mit den klammen Händen am Zaun:
Alter Wein, dumpfer Hochmut und Starrheit,
Bleiben in neuen Schläuchen doch braun.

(2008)