2007-07-28

insektoid

Die Zeit ist da, sie sind schon hier,
Sind tief im Schatten hinter Dir,
Kannst sie nicht seh'n, kannst sie nicht tasten,
D'rum wird Dein Herzschlag heut' nicht rasten.

Langsam aber sicher
Erhebt sich in der Ecke,
Wie irre, mit Gekicher,
Die kleine schwarze Zecke,
Sie saugt Dich aus,
Sie frisst Dich auf,
Folgt Deiner Schritte schnellen Lauf,
Und wartet hinter jedem Haus.

Die Zeit ist da, es ist gescheh'n,
Du kannst sie um Dich kriechen seh'n,
In Deinem Kopf, unter der Haut:
Sie haben schon ihr Nest gebaut.

Eine Haut aus Stahl,
Tod in Überzahl.
Zwei gebrochene Fühler,
Sei jetzt des Narren Schüler.
Drei Teile Schmerz,
Und Licht, wie Gift durchfährt's.
Sechs Schritte Freiheit,
Beweist Dir Deine Torheit.
Tausend Blicke Nacht,
Wie Feuer Dich entfacht.

Im klaren Stein nun eingeschlossen,
In einen Block hineingegossen,
Harrst Du der Dinge, die da kommen,
Denn Dich habe ich mitgenommen.

Von allen Wesen dieser Welt,
Hab' ich Dich endlich auserwählt,
Mich zu begleiten immerfort,
Komm mit mir, an den dunklen Ort.

Eine Haut aus Stahl,
Du hast keine Wahl.
Zwei gebrochene Fühler,
Die Tage werden kühler.
Drei Teile Schmerz,
Umschließ' ihn tief im Herz.
Sechs Schritte Freiheit,
Sie führen in die Klarheit.
Tausend Blicke Nacht,
Aus Alpträumen gemacht.

(2007)

2007-07-27

séance

sag mir, sag mir, sag mir!
sag mir: wie lachen kinder?
sag mir...

So, wie Du lachtest
Bis Du schließlich in den Abgrund fielst.
So, wie Du lebtest
Bevor Deine Zeit zu Ende ging.
So, wie Du träumtest
Bis Du Scherben in den Händen hieltst.
So, wie der Henker
Als Dein Leib leblos am Baume hing.

sag mir, sag mir, sag mir!
sag mir: wie leuchten augen?
sag mir...

So, wie die Sonne
Welche Du schon lange nicht mehr kennst.
So, wie die Sterne
Die mit Kälte Dich nun überziehen.
So, wie das Feuer
Wo Du langsam jeden Tag verbrennst.
So, wie der Schnee
In dem Geister vor den Spuren fliehen.

sag mir, sag mir, sag mir!
sag mir: wie leben menschen?
sag mir...

So, wie die Schatten
Die über Leere niemals siegen.
So, wie im Wahnsinn
Narren nur den Thron beneiden.
So, wie Insekten
Die tollkühn, stumm ins Licht stets fliegen.
So, wie die Engel
Die sich die Flügel selbst abschneiden.

sag mir, sag mir, sag mir!
sag mir: wie fühlt sich haut an?
sag mir...

So, wie das Glas
Das stumm Dir Deinen Namen nennt.
So, wie der Stein
Der Deine Seele sanft umhüllt.
So, wie Papier
Das weich ist, doch Dein Fleisch zertrennt.
So, wie das Wasser
Das kalt den toten Leib umspült.

sag mir, sag mir, sag mir!
sag mir: wie schmecken küsse?
sag mir...

So, wie Kinder lachen.
So, wie Augen leuchten.
So, wie Menschen leben.
So, wie Deine Haut.

(2007)

2007-07-24

die herrin der tiefe

Erdrückt, zerschlagen und verloren,
Aus Tristheit in der Nacht geboren,
Lebte blind und ungeseh'n,
Bebend schwach und gläsern schön,
Die kleine bleiche schwarze Fee,
Im Grunde, tief im grauen See.
In ihrer Hand begraben war
Ein Silberschwert gar wunderbar.

Die Herrin aus der Tiefe,
Ihr Reich der See, so schwarz und kalt,
Oh, Herrin aus der Tiefe,
So gleißend schön und doch uralt.

Ich tauch' hinab im Dunkeln!
Seh' dort die Klinge funkeln!

Die Herrin aus der Tiefe,
Wär' ohne mich ertrunken,
Oh, Herrin aus der Tiefe,
Hinab zum Grund gesunken.

So schwer wie Stein konnt' sie nicht schwimmen,
Erst Recht die Böschung nicht erklimmen,
D'rum musste ich sie lange tragen,
Konnt' nie ihr Wesen hinterfragen.
Und als sie dann am Ufer stand,
Hielt sie den Stachel in der Hand:
In meine Brust gerammt sie hat
Das Silberschwert als letzte Tat.

Die Herrin aus der Tiefe,
Ihr Reich der See, so schwarz und kalt,
Oh, Herrin aus der Tiefe,
So gleißend schön und doch uralt.

Wesen aus der Nacht!
Nun ist es vollbracht!

Die Herrin aus der Tiefe,
Wär' ohne mich ertrunken,
Oh, Herrin aus der Tiefe,
Hinab zum Grund gesunken.

(2007)

2007-07-23

tanz der irrlichter

Eine Lichtung zwischen Bäumen,
Ein Gefäß für Dunkelheit,
Guter Zeitpunkt, um zu träumen,
Und ein Weg in Einsamkeit.

Zwischen Tag und Nacht gefangen,
Tief im Kopf dreht sich die Welt,
Da erhört plötzlich mein Bangen
Ein Irrlicht, das kaum auffällt.

Und aus Einem werden Tausend,
Schwärmend hell um mich herum,
Engelszungen, so berauschend,
Machen die Gedanken stumm.

Erhör' ihr Locken!
Sie rufen Dich!
Heb' Deinen Blick!

Die Irrlichter tanzen heut' Nacht!
Und sie tanzen nur für mich,
Voll Verzückung und Schmerz
Zerreissen sie mein Herz,
Denn ich folge ihrem Licht.
Die Irrlichter sterben heut' Nacht!
Und sie sterben nur für mich,
Drehen schnell ihre Kreise
Und umgarnen mich leise,
Doch berühr'n kann ich sie nicht.


Freudentaumel ob der Torheit
Macht das Herz mir schwebend leicht.
Und im Schimmerwahn, voll Klarheit,
Scheint der Reise Ziel erreicht.

Will mich drehend auch einstimmen
In den Lichterwirbeltanz,
Ich will durch die Lüfte schwimmen,
Denn im Traum zerfließ' ich ganz.

Lasse meine Blicke schweifen,
Meine Arme streck' ich aus:
Meine Fingerspitzen streifen
Meiner Sehnsucht Augenschmaus.

Du kannst sie spüren!
Sie sind so nah!
Die Hand streck aus!

Die Irrlichter tanzen heut' Nacht!
Und sie tanzen nur für mich,
Voll Verzückung und Schmerz
Zerreissen sie mein Herz,
Denn ich folge ihrem Licht.
Die Irrlichter sterben heut' Nacht!
Und sie sterben nur für mich,
Drehen schnell ihre Kreise
Und umgarnen mich leise,
Doch berühr'n kann ich sie nicht.


Fast schon hätte ich gewonnen,
Wähnte mich dem Lichte nah,
Da ist alles schnell zerronnen,
Schmerzhaft schön und sonderbar.

Aus, der bunte Farbenreigen,
Aus, der stille Funkenflug.
In der Nacht hört man das Schweigen:
War der Tanz denn nicht genug?

Auf der Lichtung zwischen Bäumen,
Kehrt zurück die Dunkelheit,
Schlechter Zeitpunkt, jetzt zu träumen,
Denn der Weg ist Einsamkeit.

Das Trugbild quält Dich!
Erst sind sie hier!
Dann plötzlich fort!

Die Irrlichter tanzten heut' Nacht!
Und sie tanzten nur für mich,
Voll Verzückung und Schmerz
Zerrissen sie mein Herz,
Denn ich folgte ihrem Licht.
Die Irrlichter starben heut' Nacht!
Und sie starben nur für mich,
Drehten schnell ihre Kreise
Und umgarnten mich leise,
Doch berühr'n konnt' ich sie nicht.

(2007)

2007-07-20

stille

Das Wasser tropft hinab
Von regennassem Haar,
Verschwindet in der Nacht,
So still und sonderbar.
Und leise, lautlos, sacht
Trägt Dich der Füße Trab.

Im Mondendämmerschein
Beginnt nun eine Reise,
An einen fernen Ort.
D'rum wanderst Du, ganz leise,
Von Deinen Trümmern fort.


Doch spürst Du stets die Kälte,
Die tief in Dich eindringt,
Und Dich zu Boden wirft,
Wenn kein Lied mehr erklingt.



Dann stehst Du langsam auf,
Tausendmal immer wieder,
Der Weg muss weitergeh'n.




Im Taumel sagst Du dann
Das allerletzte Wort.





Denn jetzt ist es still.






(2007)

2007-07-12

alice I (scherben)

blinder taumel durch das nichts
stille schritte, stumme schreie
schwankend zwischen tod und leben
zwischen wahnsinn und verzweiflung
unsichtbar, doch immer da

ich sehe nicht den weg im dunkel,
ich kenne nur das ziel!

zurück
hinauf zu den wolken
entkommen
der leere, die mich sanft erdrückt
hinfort
aus diesem dasein, das nicht leben ist

alles zerfließt um mich herum
fern und nah, gelogen und wahr
ich kann mich selbst beobachten
wie ich suchend, tag um tag
durch scherben wander, ohne ruh'

irgendwo da draußen,
irgendwo endet dieser weg!

zurück
geworfen in dem lauf der zeit
entkommen
dem sog, der in die tiefe reißt
hinfort
aus schwarzer schattennacht

ich stehe neben mir, verzweifle stumm
liege im regen auf kaltem stein
halt mich an gras fest, reiß es aus
folge jedem hoffnungsschimmer
und laufe gegen wände

am ende aller träume angelangt,
am ende breche ich entzwei!

zurück
aus dem tod ins leben gehen
entkommen
den fesseln der bedeutungslosigkeit
hinfort
endlich wieder sein

ich kenne diesen einen weg
der mich hinausführt und befreit
doch die tür dorthin ist mir versperrt
öffnen muss sie jemand anders
hindurchgehen muss ich selbst

wer findet den schlüssel zu der tür,
wer sucht den weg ins wunderland?

(2007)

2007-07-07

dies ist wahnsinn

zwangsjacke, pille, irrenhaus!
verrückte sperrt man vom leben aus!
sie schaufeln unsrer welt ein grab!
drum schneidet ihre zungen ab!
wir müssen ihren willen brechen!
sonst beginnen sie zu sprechen!

... denn ich sage euch: dies ist wahnsinn:
wenn selbstzerstörung anklang findet,
blanker hass uns aneinander bindet,
wenn stetes schweigen uns begleitet
die angst den weg uns immer leitet,
wenn die hoffnung jäh im licht zerrinnt
und narren plötzlich götter sind!

zwangsjacke, pille, irrenhaus!
verrückte sperrt man vom leben aus!
sie schaufeln unsrer welt ein grab!
drum schneidet ihre zungen ab!
wir müssen ihren willen brechen!
sonst beginnen sie zu sprechen!

... und ich sage euch: dies ist wahnsinn:
wenn menschen nur noch lügen glauben,
uns auch des letzten hemds berauben,
wenn ein könig um armut betteln muss,
das leid der andern ein genuss,
wenn die welt erzittert vor einem kind
und narren plötzlich götter sind!

zwangsjacke, pille, irrenhaus!
verrückte sperrt man vom leben aus!
sie schaufeln unsrer welt ein grab!
drum schneidet ihre zungen ab!
wir müssen ihren willen brechen!
sonst beginnen sie zu sprechen!

... ja, ich sage euch: dies ist wahnsinn:
wenn sich täter rühmlich opfer nennen,
der stille wert wir nicht erkennen,
das denken nur noch ist ein graus,
wir uns laben am eignen leichenschmaus,
wenn ekel beweis ist, dass man spinnt
und narren plötzlich götter sind!

zwangsjacke, pille, irrenhaus!
verrückte sperrt man vom leben aus!
sie schaufeln unsrer welt ein grab!
drum schneidet ihre zungen ab!
wir müssen ihren willen brechen!
sonst beginnen sie zu sprechen!

... denn nun heißt es: folgt dem wahnsinn,
der angst und furcht in uns zerstört,
mit jedem kuss dich neu betört,
dessen gott in einem spiegel lebt,
den mensch zum adel neu erhebt,
die herrschaft deines selbst beginnt
weil narren nunmal götter sind!

(2006)

2007-07-05

kometensturm

Noch sitz' ich hier in meinem Turm.
Doch dorthin, weit, an fernen Ort
Ein Traum mich zieht - will weg hier, fort:
Dies ist die Ruhe vor dem Sturm!

Ich träume von dem roten Mond,
Es wälzt sich stets dieser Gedanke:
Ob Zweifel oder Mut - ich schwanke!
Doch weiß ich, dass das Ziel sich lohnt!

Die Sonne, sie liegt hinter mir,
Ich schau' nach vorn, da lacht mich an
Der Mond, will nur noch sein fortan
Im Glutenschimmer, nah bei Dir!

Des Sturmes Macht bringt mich zu Fall!
Und in der brausenden Gewalt,
Ein heller Blitz bekommt Gestalt -
Ein Funke, gar ein großer Knall!

Die Wendung in des Lebens Lauf
Wie Feuersturm mich überrascht,
In Dich schon einen Blick erhascht,
Ich nähm' dafür alles in Kauf!

So mächtig ist die heiße Glut,
Ob sie mich zu zerstören droht?
Nein - denn Kometen, scharlachrot,
Sie flüstern mir: Der Sturm ist gut!

All das, was Hoffnung, Sehnsucht, Nähe,
Was Leben, Lieben, Lachen heißt,
Verlangt, dass Du, oh Mond, nun weißt,
Dass ich in Dir die Zukunft sehe!

Was wär', wenn ich es einfach wage,
Den freien Fall im schnellen Lauf -
Fängst Du mich vor dem Aufprall auf?
Mich plagt die eine, große Frage!

So Du, oh Mond, gewähren lässt,
Dass das, was in mir plötzlich schwingt,
Und tobt, und lodert, überspringt,
Siehst Du, dass es den Weg wert ist!

D'rum würd' ich schweben gern im Wind,
Getragen von der Hoffnung Schwinge,
Dass ich, so ich den Mut aufbringe,
Den Weg zu Deinem Herzen find'!

(2007)

2007-07-03

auf schmalem grat

Wo Donnerknall mich schlägt,
Und durch die Lüfte trägt!
Wo Lichtblitz mich verbrennt,
Der Hoffnung Name nennt!
Wo Stille mich zerreißt,
Die Zukunft mir verheißt!
Wo Fernweh mich erdrückt,
Der Ausblick mich verzückt!
Wo Abgrund klaffend droht,
Und Feuer in mir loht!

Wo Lichtschein golden blinkt,
Im Nichts mein Herz ertrinkt!
Wo Engelsflug mich führt,
Und Kälte mich berührt!
Wo Stärke mich erhebt,
Der Boden schwankend bebt!
Wo Sehnsucht neu beginnt,
Das Blut in mir gerinnt!
Wo in mir ein Lied summt,
Durch Zweifel bald verstummt!

Wo Sturm mich bringt zu Fall,
Bald endet meine Qual!
Wo mir die Sicht verschwimmt,
Langsam den Berg erklimmt!
Wo Himmel reißen auf,
Ich folge meinem Lauf!
Wo jeder Schritt tut weh,
Ich bald am Gipfel steh'!
Wo der Weg unbekannt,
Mich führt des Engels Hand!

(2007)

2007-07-01

du willst es doch auch!

Ja ich will es!
Das Alles, das Eine,
Das Große, das Kleine,
Das Leben, das Wahre,
Die Nacht, all die Jahre,
Das Nehmen, das Geben,
Das große Erdbeben,
Den Klang süßer Lieder,
Wallendes Gefieder -
Ach wär' nicht gescholten
Die Flucht in die Wolken!

Immerwieder!
Die Lehre verkünde
Von Schande, von Sünde,
Von Scham und von Feigheit,
Von ewiger Eiszeit,
Von Tod und Verderben,
Von Tugend in Scherben,
Von fleißigen Bienen,
Der Lüge sie dienen -
Ach wär' nicht gescholten
Die Flucht in die Wolken!

Heute Nacht!
Entsteigt Deiner Asche
Der Geist aus der Flasche,
Die Angst war vergebens,
Das Wunder des Lebens
Hält Dich schon gefangen,
Der Tag ist vergangen,
Der Traum war die Wahrheit,
Jetzt schafft er Dir Klarheit -
Ach wär' nicht gescholten
Die Flucht in die Wolken!

(2006)